Buchrezension – Verstehen nicht bestrafen
Wer kennt es nicht – unser Kind will sich nicht anziehen, es hört nicht auf das zu tun was wir nicht wollen, still sitzen am Familientisch scheint fern jeder Vorstellung zu sein, vom Haare waschen & Zähne putzen fangen wir gar nicht erst an. Und überhaupt gibt es so einige Dinge, die uns Eltern ganz schön herausfordern können im Leben mit unserem Kind… Wir wollen verstehen was unser Kind bewegt, ihm auf Augenhöhe begegnen. Stoßen dabei gleichzeitig immer wieder an unsere Grenzen, was dann dazu führen kann, dass sich die Situationen, der Umgang miteinander, in eine destruktive Richtung entwickelt.
Als Eltern haben wir den Wunsch, dass unser Kind zb. Tischmanieren lernt, oder sich höflich verhält. Wir sind verantwortlich für die Gesundheit und wünschen uns, das unser Bestreben unserem Kind Gesundheit & Hygiene beizubringen, auch ankommt. Doch was, wenn dann Widerspruch kommt, ein lautes „Nein, ich will das nicht“ und wir in Konflikte – ja sogar in Machtkämpfe geraten und anfangen zu drohen und zu bestrafen, damit unser Kind das tut was wir wollen? Für viele Eltern fühlt sich das ziemlich doof an und sie wollen so auch nicht handeln. Doch was tun wir dann? Wie sorgen wir dafür, dass unser Kind an den Stellen kooperiert an denen es für uns wichtig erscheint? Wie ent-spannen wir anstrengende Situationen? Und wie bleiben wir in einer wertschätzenden Verbindung mit unserem Kind, auch in herausfordernden Verhaltensweisen, ohne zu Strafen zu greifen?
Neue Wege -aber wie?
Genau diesem Thema widmet sich Juli Scharnowski in ihrem neuen und dritten Buch aus dem Humboldt Verlag „Verstehen nicht bestrafen – Wie du mit den Gefühlen deines Kindes umgehen und eure Bedürfnisse leichter erfüllen kannst“
Was dich im Buch erwartet
Zu Beginn widmet sich dieser Elternratgeber aus der Humboldt Familie dem Thema „Was Strafen bei deinem Kind bewirken“. Dabei verzichtet die Autorin auf langwierige, komplexe Erklärungen, sondern bringt die wesentlichen Aspekte verständlich und nachvollziehbar auf den Punkt. Außerdem hat mir besonders gut gefallen, dass in diesem Kapitel auch die Auslöser beschrieben werden und Perspektivwechsel, Bilder mitgeben werden, die dabei unterstützen das kindliche Verhalten besser verstehen zu können und unser Familienleben – die Beziehungsgestaltung, nachhaltig verändern zu können.
Bei all den Erklärungen und auch die Hinweise an unsere Verantwortung als Eltern, hatte ich nie das Gefühl hier einen mahnenden, erhobenen Zeigefinger zu spüren. Juli beschreibt sehr verständnisvoll und warm weshalb wir als Eltern zu diesen Mechanismen greifen. Gleichzeitig ist beim lesen spürbar wie wichtig es der Autorin ist Eltern dabei zu unterstützen neue Wege und Handlungsstrategien zu finden, die die kindliche (emotionale) Gesundheit fördern und zu einer besseren Eltern-Kind-Beziehung beitragen.
Wenn wir die Sprache des Verhaltens unserer Kinder verstehen lernen, werden Strafen überflüssig
Juli Scharnowski – Verstehen nicht bestrafen S.9
Was es braucht um es anders zu machen
Im Anschluss es ersten Teils, findet der Leser, die Leserin einen prall gefüllten Werkzeugkasten. Denn mal ganz ehrlich: viele von uns wissen theoretisch das Belohnungen, Drohungen und Strafen nicht zu einer konstruktiven Beziehung und gesunden Entwicklung beitragen. Und theoretisch wollen wir es anders machen. Doch in Momenten, in denen bei uns der Geduldsfaden reißt und die Emotionen hoch schaukeln, gelingt es vielen Eltern noch nicht das theoretische Wissen anzuwenden. Um die Lücke zwischen Theorie und Praxis zu schließen, setzt dieses Kapitel an. Es geht in diesem Kapitel darum Strategien kennen zu lernen (und zu üben) um mit sich selbst in Kontakt bleiben zu können und zu seinem Kind. Der Umgang mit den eigenen Gefühlen, ein gesundes Emotions-Management ist DIE Voraussetzung, um aus alten Handlungsmustern aussteigen zu können. Wir brauchen die Pause zwischen Reiz und Reaktion um bewusste Entscheidungen treffen zu können. Und in Beziehung und Verbindung bleiben zu können.
Das lesen dieses Werkzeugkoffers macht aber natürlich noch keinen Unterschied 😉 die praktische Umsetzung muss dann bei jedem selbst liegen. Im Buch selbst wird der Leser, die Leserin immer wieder zum Werkzeugkoffer zurück geführt, was mir gut gefallen hat. Denn dadurch werden diese Werkzeuge immer wieder ins Bewusstsein geholt, vertieft und Übung macht bekanntlich den Meister (oder die Meisterin).
„Dein Alltag – ein Pulverfass“
Der größte Teil des Buches ist für viele Eltern wahrscheinlich auch der hilfreichste Teil. Und ganz ehrlich – in mir tauchte nicht nur einmal der Gedanke auf „hätte es doch dieses Buch schon vor 11 Jahren gegeben“. Denn im letzten Abschnitt beschreibt Juli nicht nur einzelne Szene eines ganz normalen (chaotischen) Familienlebens sondern, und das macht dieses Buch in meinen Augen auch besonders, sie erklärt woher bestimmte Verhaltensweisen unserer Kinder kommen und wie wir mit solchem Verhalten noch umgehen können. Viele Fragen, Perspektivwechsel laden hier zum reflektieren ein. Und die Beispielsituationen aus ihrem Familien-, Beratungs- und Coaching -Alltag veranschaulichen wie wertvoll es ist, hinter das Verhalten eines kleinen Menschen zu blicken um die dahinterliegenden Bedürfnisse zu verstehen.
Denn wenn wir diese immer besser lesen und verstehen können, erübrigen sich Erziehungsmethoden wie Bestrafungen oder auch Belohnungen. Auch das zeigen die einzelnen Beispiele aus meiner Sicht immer wieder gut.
In diesem Teil des Buches finden Eltern, gut gegliedert, Situationen vom Tagesbeginn über den Mittag bis hin zum Abend. Ärger an der Bettkante, Anziehen, Körperpflege, Familientisch, Autofahren, Mithelfen im Haushalt, Medien, ins Bett gehen etc. etc. etc. Das Buch hat wirklich alle „normalen“ Stolpersteine die auftreten könnten auf der Liste. Zumindest sind mir keine weiteren eingefallen. Und nicht nur einmal fühlte ich mich in die Vergangenheit zurück katapultiert, weil mich vieles an eigene Konflikte erinnert hat, die wir so durchgestanden haben 😉
Die einzelnen Situationen werden genau unter die Lupe genommen. Verhalten nachvollziehbar erklärt und es finden sich immer sehr hilfreiche Impulse um diese Situationen zu entspannen.
Hauen, treten, beißen…
Da Juli weiß wovon sie spricht, gibt es noch ein weiteres Kapitel. Denn mal ganz ehrlich, es gibt nicht nur bestimmte Situationen die schwierig sind. Sondern auch die ein oder andere Verhaltensweise die uns Eltern ganz schön stressen kann. Ein Kind welches herumkommandiert, schreit, haut, lügt, nicht mit macht, kann in einem noch so geduldigen Elternteil, den drohenden und strafenden Zeigefinger erwecken. Nicht, weil wir glauben, dass das so sein muss. Sondern eher weil wir nicht immer verstehen was hinter solch auffälligem Verhalten stecken könnte und diese Verhaltensweisen genau dem widersprechen was wir uns für unser Kinder wünschen – Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt, Ehrlichkeit. Die Angst das sich dieses Verhalten festigt und unser Kind zu einem unsympathischen und unfreundlichen Erwachsenen heranwächst ist immer wieder groß.
Juli zeigt in diesem Kapitel was es genau mit diesen Verhaltensweisen auf sich haben kann. Zeigt auf welche Ursachen eine Rolle spielen könnten und was uns Eltern dabei helfen kann anders mit diesem Verhalten umzugehen.
Besonderes im Buch
Das Buch ist meinem Empfinden nach nicht nur ein Buch, dass man halt mal liest. Es ist vielmehr ein Wegbegleiter durch die vielen Herausforderungen die auf uns im Alltag als Eltern warten. Ist Nachschlagewerk und Ratgeber. Es hilft zu verstehen. Durch das Inhaltsverzeichnis finden Eltern schnell das Kapitel welches sie gerade brauchen für die Herausforderung bei der man gerade stolpert. Denn mal ganz ehrlich, Zeit um ein ganzes Buch zu lesen ist dann doch immer wieder rar. Hier merkt man, dass Juli selbst Mutter von drei Kindern ist und genau weiß wie knapp manchmal die Ressourcen von Eltern bemessen sind.
Außerdem finden sich im Buch zahlreiche Impulse und Übungen, die als praktische Möglichkeit einladen noch mehr Veränderung zu bewirken. Dazu gibt es im Buch einige Hördateien und weiteres Zusatzmaterial, welches sich bequem per QR-Code scannen lässt um verschiedene Übungen oder Impulse noch mehr zu vertiefen.
Wie ein Detektiv mit der Lupe unterstützt dieses Buch dabei herauszufinden was denn eigentlich wirklich gerade schwierig für uns Eltern ist. Und für unsere Kinder. Es rückt Erwartungen zurecht und lädt dazu ein Perspektiven zu verändern und wirklich neue Wege gehen zu können.
Empfehlung?
Aus meiner Sicht – ein klares und von Herzen kommendes Ja zu diesem Buch. Als Coach, Eltern- und Familienberaterin (und Mutter) weiß ich um die Herausforderungen von Eltern. Und auch, wie wertvoll es für viele Familien ist, konkrete Ideen und Lösungsansätze an die Hand zu bekommen. Dieses Buch schafft es in meinen Augen einerseits hilfreiche Werkzeuge für bestimmte Situationen an die Hand zu geben. Anderseits wird auch immer wieder klar, dass jedes Kind/Elternteil/jede Familie individuell ist und ihre ganz eigenen Lösungen finden darf.
Das lesen hat mir viel Freude gemacht. Die wertschätzende, verständnisvolle (für Kinder und Eltern), warme und auch humorvolle Art und Weise von Juli ist auf jeder Seite spürbar – neben ihrem umfassenden Expertinnenwissen.
Danke an Juli Scharnowski für diesen hilfreichen Elternratgeber, der Verhaltensweisen auf den Grund geht und dadurch neue Wege möglich macht!
Hast du dieses Buch bereits gelesen? Was war für dich eine besonders wertvolle Erkenntnis, oder was hat dir gut gefallen? Ich freu mich deinen Kommentar zu lesen.
Bleib in Verbindung
Deine Maria
Wenn du mehr über Juli und ihre Arbeit erfahren willst – https://www.momtowow.de/