
Vergebung – mein Schlüssel aus Verhaltensspiralen
Du kennst das vielleicht. Du hast nicht so reagiert wie du wolltest. Hast etwas gesagt, dass dein Gegenüber verletzt hat. Bist wütend geworden. Zornig. Warst laut und vielleicht ungerecht.
Dabei hast du dir vorgenommen ganz anders zu sein. Erst durchzuatmen, bevor du etwas sagst. Dich erst zu sammeln. Verständnisvoll zu reagieren. Achtsam zu kommunizieren.
Du weißt doch selbst, wie es sich anfühlt… Und du bist wütend über dich. Schämst dich. Fühlst dich schuldig.
Ich kenne das Gefühl. Auf meinem Weg der Bindungs – Beziehungsorientierten Elternschaft habe ich schon so einiges gesagt, getan, dass ich gern anders gemacht hätte. Und mich abends das schlechte Gewissen plagte. Manches mich sogar noch länger be-lastet hat… Und obwohl ich wusste das es falsch war, reagierte ich immer wieder ähnlich. Ich schaffte es nicht das alte Verhalten abzulegen. Trotz meiner ganzen Informationen. Trotz meines Verständnisses. Ich fühlte mich schuldig und war in einer Spirale gefangen. Ich wusste, das es an mir lag. Ich wusste, dass ich etwas verändern musste, um neue Strategien lernen zu können, um überhaupt neue Lösungen und Möglichkeiten für mich sehen zu können, in herausfordernden Situationen.
Irgendwann stieß ich auf Vergebungsarbeit und hier lag für mich ein wichtiger Schlüssel. Ich verstand warum ich immer wieder gleich reagierte. Und ich hatte plötzlich etwas in der Hand wie ich es schaffen konnte, aus dieser Spirale raus zu kommen und das Alte hinter mir zu lassen…
Und weil es für mich so wertvoll war und ist, möchte ich heute gerne darüber schreiben und erzählen…
Was bedeutet Vergebung und wie kann ich mir selbst vergeben?
Vergebung ist der Verzicht einer Person, die sich als Opfer empfindet, auf den Schuldvorwurf (Quelle: Wikipedia)
Dir selbst zu vergeben, bedeutet zu 100% die Verantwortung für dein Tun und Handeln zu übernehmen. Es bedeutet zu sehen & zu verstehen, dass du dich so wie du bist, annimmst. Auch wenn Dinge anders laufen. Auch wenn du Entscheidungen triffst die nicht sinnvoll waren. Auch wenn du in manchen Momenten laut & wütend reagierst. Du bist ein Mensch.
Ein Mensch der schon so viele Erfahrungen gemacht. Durch so vieles geprägt wurde. Und manche dieser Prägungen sitzen tiefer, als wir es uns wünschen. Weil sie uns manchmal daran hindern, der Mensch zu sein, der wir sein wollen. Vielleicht kennst du diese Prägungen. Innere Stimmen, die dir sagen wie etwas zu sein hat. Überzeugungen aus den Sätzen/Erfahrungen die du in deiner Kindheit, im Laufe deinen Lebens, immer wieder gehört und gespürt hast. Und auch wenn du das weißt und diese Überzeugungen heute nicht an deine Kinder weiter geben magst, kommen sie in stressigen Situationen zum Vorschein. Sie blockieren dein Verständnis. Dein Mitgefühl. Deine Liebe. Weil dein Gehirn in Stress gerät, dein Überleben sichern will. Weil es gelernt hat, als du klein warst, dass nur so dein Überleben gesichert ist.
Wir haben unterschiedliche Strategien erlernt, um uns anzupassen und unsere wichtigsten Bezugspersonen nicht zu verlieren. Auch wenn das bedeutet unsere eigenen Gefühle & Bedürfnisse zu unterdrücken. Leise zu werden, auch wenn wir eigentlich laut sein wollen. Und in herausfordernden Situationen wendest du diese Strategien wieder an. Reagierst vielleicht wie deine Eltern, obwohl du GENAU DAS nie wolltest. Unsere eigenen Kinder wecken häufig alte Erinnerungen auf, die uns nicht mal bewusst sein müssen. Emotionen werden nicht vergessen. Schon gar keine die unterdrückt werden mussten. Sie sind immer noch da und legen uns manchmal lahm…
Dich trifft keine Schuld. Auch nicht deine Eltern. Oder andere Personen die dich begleitet haben. Denn unser Handeln entsteht aus der Summe unserer gemachten Erfahrungen. Vieles haben wir nicht anders gelernt. Das bedeutet trotzdem das deine Eltern, oder andere Bezugspersonen und auch du im Umgang mit deinen Kindern die Verantwortung für Handlungen tragen. Und wir haben zu jeder Zeit die Möglichkeit Dinge anders zu machen. Zu lernen. Uns weiter zu entwickeln.
Und dabei kann Vergebung sehr hilfreich sein. Denn so kommst du in dein Herz. In dein Gefühl. Du nimmst an was war. Fühlst jetzt. Und lässt es dann in der Vergangenheit. Das mag nicht leicht sein. Und es gibt vielleicht Erfahrungen die du gemacht hast, bei denen du dich fragst WIE du das vergeben sollst… Und es gibt Dinge die du gemacht hast, die schwer auf deinen Schultern liegen. Manches geht nicht von heute auf morgen. Und manches kannst du vielleicht nicht vergeben. Jetzt nicht. Dabei bedeutet Vergebung nicht, dass du mit den Handlungen einverstanden bist, es als gut oder richtig annimmst. Es bedeutet auch nicht, dass du etwas vergessen sollst, oder rechtfertigen.
Vergebung bedeutet Empathie empfinden zu können. Zu verstehen warum du so oder so gehandelt hast. Oder warum Menschen in deiner Kindheit so gehandelt haben. Es bedeutet ein Verständnis dafür zu entwickeln, dass jeder von uns, zu jeder Zeit das tut was er tun kann. Und das ist für jeden Menschen in jedem Moment etwas anderes. Du lässt die Verantwortung bei dir, wenn deine Kinder alte Wunden aufreißen. Und du lässt die Verantwortung für deine Kindheitserfahrungen bei deinen Eltern, ErzieherIn, LehrerIn… und übernimmst heute Verantwortung dafür es anders machen zu können.
Du schaffst Frieden in dir für Situationen die in deiner Vergangenheit liegen. Denn du bist nicht mehr deine Vergangenheit. Du kannst aus diesen Situationen HIER und JETZT lernen. Neue Wege gehen. Lösungen finden.
Impulse
Vielleicht fragst du dich jetzt wie das funktionieren soll, dieses Vergeben.
Sei dir über die Handlung bewusst, die nicht gut gelaufen ist. Schau dir die Situation noch einmal an. Was ist passiert? Was hast du getan, oder gesagt? Das kann schmerzhaft sein uns unser „falsches“ Verhalten noch einmal vor Augen zu führen. Und doch ist es wichtig. Es ist wichtig uns bewusst zu sein, dass wir einen „Fehler“ gemacht haben.
Und dann frage dich:
Warum habe ich so gehandelt? Was habe ich in diesem Moment gefühlt?
Wenn es dir hilft dann schließe deine Augen, geh in die Situation zurück und fühle einfach alles was da ist. Wo spürst du deine Gefühle? Wie fühlt es sich an? Du kannst auch deine Hand auf die Stelle legen, wahrnehmen und atmen.
Schreibe dir auch unbedingt deine Gedanken und Gefühle auf. Das schriftlich festzuhalten hilft dir dabei klarer zu formulieren, klarer zu fühlen und Dingen auf den Grund zu kommen. Und wenn du feststellst, dass du so gehandelt hast weil ein Bedürfnis nicht erfüllt war, oder weil du früher als Kind selbst so behandelt wurdest in ähnlichen Situationen, hast du jetzt die Möglichkeit genau diesen Zustand zu verändern. Du bist nicht mehr das kleine Kind, dass sich unterordnen muss, als Opfer empfindet und heute als Erwachsener selbst der Täter ist. Du hast heute die Möglichkeit diese Erfahrung hinter dir zu lassen, aus ihr zu lernen, dich um dich zu kümmern und Verantwortung für dein Handeln zu übernehmen.
Ein Beispiel: In Geschwisterkonflikten wurdest du als ältere Schwester/älterer Bruder zur Rechenschaft gezogen. Dir wurde die Verantwortung dafür übertragen, dass ihr gut miteinander auskommst und du Konflikte friedlich lösen musst. Heute merkst du in Geschwisterkonflikten bei deinen Kindern, wie Gedanken in deinem Kopf aufsteigen: Der oder die Große muss das doch wissen. Er oder Sie muss sich besser unter Kontrolle haben. Er oder Sie muss dafür Sorgen, dass Konflikte friedlich gelöst werden, weil er oder sie älter ist.
Damals als Kind, wurdest du in deinen Gefühlen nicht wahrgenommen. Es war nicht wichtig wie es dir ging. Welchen Grund es vielleicht für dein Verhalten gab. Du warst vielleicht traurig, wütend. Fühltest dich ungerecht behandelt, oder hilflos. Deine emotionalen Bedürfnisse nach Verbundenheit, Nähe wurden nicht wahrgenommen. Deine Grenzen vielleicht übertreten.
Deine Kinder erinnern dich an all das in diesen wiederkehrenden Situationen. Und diese bewusste Erinnerung ist ein Geschenk für dich, weil du heute in der Lage bist dich für einen anderen Weg zu entscheiden. Du darfst die Vergangenheit abschließen und die Verantwortung für diese Situation zum Beispiel bei deinen Eltern lassen.
Wenn du all das aufgeschrieben hast dann nimm dich in den Arm. Zeige dir selbst Verständnis. Mitgefühl. Gehe wertschätzend mit dir um. So, als wärst du dein bester Freund. Deine Beste Freundin. Was würdest du ihm oder ihr sagen? SEI dein bester Freund/deine beste Freundin und sag es dir selbst. Vergib dir selbst. Für die Dinge die nicht so gelaufen sind wie du es gerne willst. Du kannst nichts verändern, wenn du in einem Kreislauf aus Schuld und Scham feststeckst. Dort wirst du keine Lösungen finden. Keine Alternativen die sich verinnerlichen können. Die Schuld lässt dich oftmals als Täter und Opfer gleichzeitig zurück. Der Täter der JETZT etwas falsches getan, gesagt, gemacht hat. Das Opfer, dass sich selbst bemitleidet, hilflos fühlt, schwach und klein. Du bestrafst dich letztlich immer wieder selbst, in dem du an dieser „Schuld“ festhältst.
Vergeben bedeutet einen Gefangenen freizulassen und zu entdecken, dass man selbst der Gefangene war.
Lewis Smedes
Für mich das schönste Geschenk das sich durch Vergebung zeigt ist, dass ich alte Verletzungen heilen kann, mich dadurch freier fühle, freier handle und somit auch meinen Kinder ein Stück Freiheit mitgeben kann auf ihrem Weg.
Das bedeutet nicht, dass ich keine Fehler mehr mache, oder mich nicht mehr schlecht fühle. Und es bedeutet auch nicht, dass ich mir vergebe, meine Kinder um Verzeihung bitte und ich mach so weiter wie bisher. Nein. Ich lasse meine Schuldgefühle los und nehme die Verantwortung in die Hand.
Für mich.
Für mein Leben. Und das meiner Kinder.
Alles Liebe
Deine Maria

