Beziehung statt Erziehung
Erziehung...Beziehung,  Kindliche Entwicklung

Von der ER-ziehung zur BE-ziehung.

Meine Wegweiser für uns und für dich

Ich spreche in meinen Beiträgen immer wieder davon wie wichtig die Beziehung zu unserem Kind, in unserem Miteinander, für mich ist.

Was aber bedeutet es denn nun genau In-Beziehung leben? Was gehört für mich dazu?

Wir Eltern wollen das Beste für unsere Kinder und handeln (meist) auch so. Das bedeutet für mich gleichzeitig auch, dass manche Dinge hinterfragt werden sollten, vielleicht sogar müssen. Die gesellschaftlichen und sozialen Probleme werden in meinen Augen nicht weniger, das Schulsystem ruft immer lauter nach „Gehorsam und Respekt“ , der Alltag wird immer hektischer, unser Konsumwahn immer verrückter. Höher-Schneller-Weiter ist bei den meisten das neue Motto. Aber ist das wirklich das Beste für unsere Kinder? Leistung und Produktivität, in immer kürzerer Zeit erhöhen? In den letzten Jahren hat sich mein persönlicher Blickwinkel sehr gedreht und ich habe begriffen, dass ich das NICHT für meine Kinder möchte. Das mir andere Werte wichtiger erscheinen. Damit sie sich gut um sich kümmern können. Sich nicht verlieren in der schnellen Welt. Das sie das Gefühl erleben dürfen, gut gebunden und wirklich geliebt zu werden.

Denn ich sehe es so: Eine Seele die feste Wurzeln und starke Flügel erhält, wird sich nicht unterdrücken lassen. Sie wird frei sein, wo sie frei sein will. Und sie wird sich gebunden fühlen, wo sie gebunden sein will.

Maria Abel

Wenn wir uns wünschen, dass unsere Kinder mir/dir und auch anderen Wertschätzung entgegenbringt, dass es Empathie empfinden kann, sich selbst liebt, Verantwortung übernimmt, auf sein Körper- und Bauchgefühl hört und für sich und seine Gedanken/Meinung einstehen kann, dann lies weiter. Ich möchte dir jetzt gerne ein paar Dinge/ Wegweiser aufzählen, die aus meiner Sicht wichtig sind – die mich jeden Tag begleiten, damit wir unsere Kinder genau darin begleiten und unterstützen können.

11 Wegweiser
  • Übertrete nicht die Grenzen deines Kindes und stehe zu deinen. Ein „Nein“ sollte ein „Nein“ bleiben, gerade wenn es um wichtige körperliche Erfahrungen geht wie Appetit, Gefühle, Körpernähe, Ausscheidungen. Ein Kind lernt sich dann am besten kennen, wenn es auf seine Empfindungen hören darf, es sich ausprobieren kann und daraus selbstbestimmt lernt und wenn sie nicht von Erwachsenen übergangen wird. Das fängt schon im Säuglingsalter an – kannst du es respektieren, wenn dir dein Baby mitteilt das es jetzt satt ist und den Kopf wegdreht? Gehst du auf dein Kind ein, wenn du merkst das ihm andere Menschen momentan nicht gut tun und es wieder  verstärkt nach den wichtigsten Bezugspersonen verlangt? Kannst du es akzeptieren, wenn dein Kind mit drei noch eine Windel braucht, weil die körperliche Entwicklung einfach noch nicht soweit gereift ist? Gleichzeitig ist es genauso wichtig, dass auch wir Eltern ein klares „Nein“ formulieren, wenn es nötig ist. Und das wir dazu stehen und es aushalten, wenn unser Kind unsere Entscheidung nicht gut findet. Es darf wütend, traurig und enttäuscht sein. Dafür braucht es uns. Es wäre nicht gut, zu unseren Kindern immer „Ja“ zu sagen und ihnen zu vermitteln, dass Eltern keine Grenzen haben… Grenzen können nur gelebt werden, indem sie klar formuliert werden!

  • Gib deinem Kind die nötige Führung und Sicherheit – schaffe Wurzeln. Aber lasse auch Platz für Entwicklung – gib ihm Flügel um sich entfalten zu können. Verändere die Umwelt für dein Kind und verändere nicht dein Kind für die Umwelt. Trage die Verantwortung wenn eine Entscheidung doch nicht das richtige war. Wenn du deinem Kind Verantwortung überlässt, bedenke das es verschiedene Konsequenzen noch nicht abschätzen kann. Und wenn es dann in einen sicheren Hafen zurück kehren kann, wird es lernen das es immer jemanden gibt der da ist. Der helfen und korrigieren kann.

  • Bestrafe dein Kind nicht. Was lösen Strafen aus? Angst. Immer. Und Strafen werden dich immer von deinem Kind trennen. Auch „nur“ angedrohte Strafen lösen in deinem Kind Angst und Unsicherheit aus. Dein Kind lernt somit kennen, dass es nicht bedingungslos geliebt wird. Das du (die wichtigste Person im Leben deines Kindes) dich von ihm entfernst, das du es so, wie es sich eben verhalten hat, nicht willst. Man bezahlt einen hohen Preis – den Verlust von Liebe, Beziehung und Vertrauen. Es wird immer in der Angst leben, dass du dich abwenden könntest (es verlässt) und sich somit höchstwahrscheinlich anpassen. Evolutionsbiologisch betrachtet, die einzig sinnvolle Möglichkeit. Kinder sind alleine nicht (über-)lebensfähig, sie brauchen ihre Bezugspersonen. Und vielleicht magst du dir einfach mal selbst die Frage stellen, was Bestrafung mit dir machen würde? Was würdest du fühlen? Passt für dich Strafe und Liebe zusammen?

  • Beachte die Emotionen deines Kindes. Gute wie schlechte. Kein Gefühl das wir empfinden ist falsch, oder sollte falsch gemacht werden. Niemand steckt in unserer Haut, in unserer Entwicklung, in unserer Wirklichkeit. Wenn du dein Kind durch seine Gefühle begleiten kannst, wirst du ihm damit den Weg für die emotionale Entwicklung ebnen. Durch Worte wie: „jetzt hab dich nicht so“ oder „stell dich nicht so an“ signalisieren wir ganz deutlich das die Wut/Trauer/Enttäuschung nicht erwünscht ist und unterdrückt werden muss. Das funktioniert eine Weile gut, wird aber an anderer Stelle, zu einer anderen Zeit sichtbar werden. Heute wissen wir, dass durch die Kindererziehung der Kriegs- und Nachkriegszeit (Schwarze Pädagogik), in der der Mutter nahegelegt wurde die Bedürfnisse ihres Kindes nicht zu beachten, vielschichtige spätere gesundheitliche Probleme im Erwachsenenalter entstanden sind. (Filmempfehlung über unterdrückte Gefühle und die daraus entstehenden Krankheiten: Emotion)

  • Sorge gut für dich – wenn es dir gut geht, wird es auch deinem Kind gut gehen. Jeder kennt es: Nicht ausgeschlafen zu sein, oder keine Zeit für sich zu haben, weil man sich ständig nur um die Familie kümmert, macht einen auf Dauer nicht zufrieden oder glücklich. Man ist nicht nur Mama oder Papa, auch immer noch Frau und Mann. Ein Mensch mit eigenen Bedürfnissen und dem Wunsch nach Freizeit. Sicher, mit Kind kann nicht mehr aus dem vollen geschöpft werden, aber wenn es uns gelingt ein Netzwerk zu schaffen indem wir auch Entlastung finden, wird das zu unserem persönlichen (Familien-) Glück beitragen. Und unsere Kinder? Die lernen, dass Mama´s und Papa´s sich Pausen gönnen, für sich sorgen und danach wieder wertvolle Zeit für die Familie haben – wir gehen also mit gutem Beispiel voran

  • Spreche mit deinem Kind auf Augenhöhe. Das meine ich nicht nur bildlich. Es gibt Erwachsene, die zwar ihrem Kind auf Augenhöhe begegnen, aber der Tonfall nicht besonders wertschätzend ist. Müssen wir uns da wundern, dass Kinder und Jugendliche anscheinend keinen „Respekt“ vor Erwachsenen bzw. ihnen (anscheinend) überlegenen Menschen haben? Meine Meinung: Wie´s in den Wald rein schallt – so schallt´s auch wieder raus. Auch bei Kindern! Hier habe ich schon mal über die Kommunikation bzw. das Zuhören im Familienalltag geschrieben…

  • Übernehme die Verantwortung für die Beziehung zu deinem Kind! Dein Kind braucht deine Begleitung, deine Führung. Es weiß noch nicht wie hier alles funktioniert. Wie man sich in verschiedenen Situationen verhält. Dazu braucht es dich. Es braucht jemand der ihm ganz klar sagt: „So möchte ich mit dir zusammen leben, mit den Werten die mir wichtig sind. Das lebe ich dir vor und ich vertraue darauf, dass du sie von ganz alleine übernimmst. Ich helfe dir und unterstütze dich in deiner Entwicklung. Und wenn wir von unserem Weg abkommen, werde ich MICH hinterfragen und den Kurs ändern, denn DU lernst von MIR.“ Der Erwachsene hat hier die Verantwortung für die Qualität der Beziehung. In einer Erwachsenen-Beziehung kann der andere immer sagen: „Stopp, bis hier und nicht weiter. Das verletzt mich.“ Ein Kind wird das zu seiner Bezugsperson eher weniger sagen. Es vertraut ihr und auch wenn sich das Gefühl im Bauch gerade nicht gut anfühlt, wird es schon richtig so sein..es ist ja schließlich meine Mama/ mein Papa…

  • Missbrauche nicht deine Macht. Eltern haben Macht. Sie sind Kindern nicht nur körperlich überlegen, sondern auch geistig. Es ist keine Frage, dass ein Kind in riskanten Situationen geschützt werden muss und Eltern ihre zb. körperliche Überlegenheit einsetzen. Wenn das Kind plötzlich nach dem scharfen Küchenmesser greift, nehme ich es natürlich weg und lege es außer Reichweite. Aber die Frage stellt sich hier, wie wir mit unserer Überlegenheit umgehen. Kann ich meinem Kind trotzdem wertschätzend begegnen und ihm zb. erklären, warum das Messer zu gefährlich ist und biete Alternativen an? Oder nutze ich meine Macht aus, zerre das Kind weg, haue auf die Hand und schimpfe vielleicht sogar noch mit ihm… Das gleiche gilt bei solchen Dingen wie umziehen, Zähne putzen, waschen. Halte ich mein Kind mit Gewalt fest, nutze meine körperliche Überlegenheit aus, oder achte ich die Grenzen und Bedürfnisse meines Kindes und begleite es wertschätzend und verantwortungsvoll?

  • Konsequenz oder Konsistenz? Was denkst du, was für eine stabile physische und psychische Entwicklung deines Kindes förderlicher ist? Wenn du deine Ansichten/Meinungen konsequent durchsetzt – komme was wolle, oder wenn du dich an deinen Werten orientierst und manche Entscheidungen auch hinterfragst/-en lässt. Ich kann mich als Mutter, oder Vater, immer entscheiden: Begegne ich meinem Kind achtsam und gleichwertig, überlege mir Strategien wie wir das Problem für alle gut lösen können (mein Kind lernt dadurch gleichzeitig auch Konfliktlösungsstrategien), oder setze ich mein Alter/Wissen/Macht über die des Kindes und handle vielleicht sogar gewaltvoll…

  • Hab Vertrauen in die Fähigkeiten deines Kindes. Unsere Kinder kommen auf die Welt und sind perfekt. Alles was sie brauchen ist eine liebevolle Begleitung ins Leben. Jemand der sie nährt, schützt, versorgt. Alles was sie für das Leben lernen müssen, lernen sie von ganz allein. In ihrem Tempo. Natürlich müssen dafür einige Bedingungen erfüllt sein (wie zum Beispiel die Erfüllung der Grundbedürfnisse, eine kindgerechte Umgebung) – aber ich gehe jetzt mal davon aus, das der Großteil der Eltern diese Bedingungen sowieso umsetzt. Spätestens im Kontakt mit anderen Eltern verlieren wir aber häufig das Vertrauen. „Wie dein Kind hat noch keine Zähne? Es kann noch nicht sitzen – unsere sitzt schon seit 3 Wochen“ Das sind alles wahrscheinlich keine ernsthaft böse gemeinten Kommentare. Aber sie verunsichern schnell und auch hier dürfen wir gerne etwas achtsamer in Kontakt mit anderen Eltern sein 😉 und wieder mehr Vertrauen vermitteln „Jedes Kind hat sein Tempo, wir sind alle individuell!“

  • Sei Nicht-Perfekt. Zum guten Schluss ein letzter Punkt. Aber ein wichtiger. Du willst immer das beste und du willst immer alles richtig machen. Das zeichnet dich aus und lässt dich jeden Tag dein bestes geben. Das ist wahrscheinlich auch so eingerichtet. Aber „Fehler“ passieren und du hast immer die Möglichkeit auf deinen Kurs zurück zu kehren. Kinder lieben uns bedingungslos und sind immer bereit unsere Fehler zu verzeihen. Ein „Es tut mir leid, da habe ich mich falsch verhalten“ kann eine kleine Unebenheit auf dem Weg schnell begradigen und niemals wird dein Kind dir nachtragend sein. Wenn der Grundton stimmt in eurer Beziehung, nach euren Werten ausgerichtet, dann kann es auch Ausrutscher geben, die Melodie bleibt trotzdem harmonisch.

Hier sind noch ein paar Leseempfehlungen , wenn du dich mit verschiedenen Themen noch mehr auseinandersetzen willst:

Jesper Juul: Nein aus Liebe; Grenzen-Nähe-Respekt

Katharina Saalfrank: Was unsere Kinder brauchen

Herbert Renz-Polster: Kinder verstehen – Born to be wild

Jetzt bist du dran 🙂 Schreibe mir, wie es dir in der Beziehung zu deinem Kind geht? Sind meine Wegweiser vielleicht hilfreich für dich – oder fehlt für dich noch etwas? Was ist dir wichtig in eurem Kontakt zueinander? Ich freue mich wie immer von dir zu lesen ♥

Alles Liebe & bleib in Verbindung

deine Maria

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